15 Juni 2007

Schlussstrich

Mit Eintrag Nummer 58 beende ich nun also siebeneinhalb Monate des fröhlichen Blog-Schreibens aus den entlegensten Winkeln dieser Welt. Vor genau zwei Wochen bin in München gelandet und auch wenn ich noch nicht vollkommen angekommen bin, so hat mich der Alltag doch schon wieder so fest im Griff wie eine besorgte Freundin. Bedanken möchte ich mich noch bei den vielen treuen Lesern meines Blogs, auch wenn ich weiß, dass mindestens die Hälfte der momentan knapp 4.600 Seitenaufrufe wohl von Mama und Manu stammen. Abschließend hoffe ich, dass euch das Lesen meiner Geschichten zumindest annähernd so viel Spaß gemacht hat, wie mir die Niederschrift der Erlebnisse - denn dann hat es sich für uns alle gelohnt.

(Hier findet ihr alle Reisefotos nach Kontinenten geordnet.)

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Home Sweet Home - neben dem Maibaum in Garching

Ein Fazit

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler ist in den letzten sieben Monaten einmal um die Welt gereist. An dieser Stelle hat er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen berichtet. Mittlerweile ist der 27-Jährige wieder in Garching und blickt ein letztes Mal zurück.

Garching (ps) – Auf meiner Weltreise lief nicht immer alles rund. In Vietnam musste ich etwa voller Entsetzen zusehen, wie die Fähre zur Insel Phu Quoc zwar mit meinem Rucksack, aber ohne mich in See stach, während ich an Land verzweifelt versuchte dem Bootsbesitzer seine horrenden Geldforderungen auszureden. In Australien brach unser Bus mitten im menschenleeren Outback mit einem Motorschaden zusammen, so dass wir stundenlang vergeblich bei 45 Grad im Schatten auf Hilfe warteten – es war übrigens mein Geburtstag. Und in Südamerika habe ich mich in einem Nationalpark dermaßen verlaufen, dass ich bereits mit einer Nacht unter freiem Himmel rechnete. Doch all diese Situationen habe ich heil überstanden: Das vietnamesische Boot drehte um und nahm mich an Bord, der australische Bus sprang zur allgemeinen Verwunderung wieder an und im chilenischen Nationalpark lief ich zufällig zwei Wanderern in die Arme, die mir nach Stunden des Unherirrens den richtigen Weg wiesen. Auf eine ausweglose Situation traf ich erst nach meiner Rückkehr. Denn kaum hatte ich wieder deutschen Boden unter den Füßen, bombardierten mich Familie und Freunde mit einer Frage: „Und, wie war’s?“

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Unvergesslich: Sonnenuntergang in Coral Bay

Schön? Lehrreich? Aufregend? Eine gute Antwort darauf ist in etwa so leicht zu finden wie Weißbier in Kambodscha. Um Gesprächspartner nicht vor den Kopf zu stoßen, murmelte ich etwas von „eine tolle Erfahrung“ und „viele nette Leute getroffen“. Doch schon bei diesen Worten fühlte ich mich schlecht, schließlich könnte ich zu jedem der von mir bereisten Länder stundenlang berichten und selbst dann wäre es wohl unmöglich, all die Erlebnisse und Eindrücke zu vermitteln. Oder wie bitte soll ich Zuhörern meine Gefühle beschreiben, als mich die bettelarme vietnamesische Familie spontan zum Essen einlud – obwohl wir uns keine fünf Minuten kannten und aufgrund der Sprachbarriere lediglich anschwiegen und angrinsten. Oder den Geschmack jenes Biers am Strand von Coral Bay in Australien, während die Sonne glitzernd im Indischen Ozean versank und ich das Naturschauspiel mit zehn anderen Reisenden aus acht verschiedenen Ländern bewunderte? Ganz abgesehen von Touristenattraktionen und schillernden Metropolen sind es Momente wie diese, die mir als erstes durch den Kopf gehen, wenn ich nach meiner Reise gefragt werde. So kann ich nach sieben Monaten, drei Kontinenten und elf Ländern eigentlich nur eines sicher sagen: Zwar bin ich heute um einige Tausend Euro ärmer, dafür aber um einige Erfahrungen reicher.

In Münchner Merkur: 16/17. Juni 2007

02 Juni 2007

"Und, wie war's?"

Raspberry Dessert - so lautete die harmlose Bezeichnung jenes farbenfrohen Geschmacksabenteuers, welches ich vor sieben Monaten im Flieger von München nach London als Nachmittagssnack zusammen mit einem Lächeln von der nicht unattraktiven Stewardess serviert bekam. Der Name steht ganz oben unter dem Datum (30. Oktober) auf der ersten Seite in meinem kleinen Reisenotizbuch. Heute, 214 Einträge und Tage später, sitze ich erneut im Flugzeug und auch wenn der Imbiss - ein Hühnchensandwich samt Schokoriegel - diesmal weit weniger aufregend für die Geschmacksnerven ist, so muss ich doch an jenen verregneten Oktobertag im letzten Jahr denken. Schließlich war er der Auftakt meiner Weltreise, die mich durch drei Kontinente, elf Länder und einmal um den Erdball gebracht hat. Mit dem heutigen Flug von London nach München geht diese für mich äußerst ereignisreiche Zeit zu Ende. In weniger als einer Stunde werde ich wieder heimischen Boden unter den Füßen haben. Ich bin voller Vorfreude: Endlich Familie und Freunde wiedersehen. Ich verspüre Traurigkeit: Das von mir so geliebte Reiseleben hat vorerst ein Ende. Ich bin gespannt: Was hat sich in meiner Abwesenheit verändert? Und ich habe Angst - vor einer Frage, die nach meiner Ankunft so unvermeidlich ist, wie Doping im Radsport: "Und, wie war's?"

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Beeindruckende Orte - hier die Ruinen von Angkor in Kambodscha

Gut, schön, erlebnisreich, interessant, lehrreich, abenteuerlich - selbst nach einem ausgiebigen Studium diverser Adjektivlisten wurde mir schnell klar, dass eine angemessene Antwort auf die "wie war's?"-Frage nicht leicht sein würde. Auch die Idee des schlichten Aufzählens der von mir besuchten Länder, Touristenattraktionen, Metropolen, der kulinarischen Eindrücken, Erlebnisse mit Einheimischen oder Freundschaften mit anderen Reisenden verwarf ich bald, schließlich würde jede dieser Aspekte nur einen Bruchteil meiner Erfahrungen beschreiben. Für einen Moment dachte ich an die knapp 2.000 Fotos, die ich in während meiner Globusumrundung geschossen habe. Doch zum einen wären die notwendigen stundenlangen Diaabende wohl ähnlich spannend wie Landtagswahlen in Bayern und zum anderen sind selbst die besten Bilder in den meisten Fällen nur ein milder Abklatsch des tatsächlich Erlebten. Außerdem: Wie kann ein Foto jenes Gefühl einfangen, das ich empfand, als mich die bettelarme, vietnamesische Familie auf Cat Ba spontan zum Essen einlud, obwohl wir uns gerade fünf Minuten kannten und aufgrund der Sprachbarriere nur anschwiegen und angrinsten? Oder den Geschmack des eiskalten Bieres am Strand von Coral Bay, während die Sonne glitzernd im Indischen Ozean versank und ich dieses Schauspiel mit zehn anderen Reisenden aus sechs unterschiedlichen Ländern bewunderte? Ihr seht: Auch Fotos bieten vor den drohenden "wie war's?"-Salven keine Rückendeckung.

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Nette Menschen - hier inmitten von Backpackern in Australien

Dabei wäre das Ganze doch so einfach, denn manchmal bedarf es keiner langen Reden, um die Reiseerlebnisse von sieben Monaten in Worte zu fassen. Am letzten Tag in Buenos Aires saß ich etwa mit meinem nordirischen Freund Mark in der hauseigenen Bar der Jugendherberge und nippte an einem Quilmes, Argentiniens beliebtestem Bier, das in etwa so schmeckt wie ein Helles in Bayern - wenn man es im Verhältnis 1:10 mit Wasser mischt. Da fragte mich Mark: "Morgen geht es also nach Hause? Nach sieben Monaten? Das ist eine verdammt lange Zeit. Also, wie war's?" Meine Antwort überraschte mich selbst ein wenig, denn sie bestand nur aus einem einzigen Wort: "Amazing!" Doch zusammen mit dem Leuchten in meinen Augen war das genug: Mark hatte mich verstanden - von Backpacker zu Backpacker.

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Unvergessliche Momente - hier bei den Boca Juniors in Buenos Aires

Doch im heimischen Deutschland werden wohl nur die wenigsten Gesprächspartner auf eigene Erfahrungen als Dauerreisende zurückgreifen können, so dass eine findige Antwort auf die "wie war's?"-Frage hier ungleich schwerer ist. Denn ihnen die Eindrücke einer solchen Reise zu beschreiben, ist in etwa so, wie wenn man einem Blinden die Farbe blau erklären will. Ich müsste dazu tagelang von den von mir bereisten Ländern berichten, den Touristenattraktionen genauso wie dem tristen Hinterland, den stundenlangen Busfahrten, Jeeptouren, Taxifahrten, von den Menschen dort erzählen, ihren Bräuchen, Traditionen und Eigenheiten. Ich müsste meine Gefühle darlegen - positiv wie negativ - etwa beim Anblick einer zeigefingergroßen Kakerlake unter dem Kopfkissen in Bangkok, beim Gespräch mit jener bildschönen Argentinierinnen in Humahuaca, beim Aufstieg auf den qualmenden Vulkan Villarica in Chile und bei den unzähligen weiteren unvergesslichen Momenten. Ich müsste ganze Fotokataloge zusammenstellen, dazu die in den verschiedenen Ländern probierten Speisen servieren, Gerüche und Geräusche vermitteln und noch vieles mehr. All das wird in meinem Kopf vorgehen, wenn ich Zuhause wieder einmal gefragt werde: "Und, wie war's?". Wer ganz genau hinsieht, wird wohl ein unbewusstes Lächeln über mein Gesicht huschen sehen und nachdem ich einmal tief durchgeatmet habe, werde ich sagen: "Nett. Es war wirklich nett."

30 Mai 2007

Südamerika - ein Rückblick

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 27-Jährige einen Traum: In sieben Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.

Mendoza, Argentinien (ps) – Anfangs war ich enttäuscht von Südamerika. Oder besser: Der Kontinent hat mich überrascht. Zugegeben, ich hatte mich nie viel mit Südamerika beschäftigt, doch wie jeder, so hatte auch ich Vorstellungen. Argentinien, Bolivien, Chile – für mich klang das nach Gesetzlosigkeit, Che Guevara und einem Hauch Anarchie. In etwa wie der Wilde Westen, nur in Spanisch und ohne Indianer. Ich erwartete Gauchos mit dicken Schnurrbärten, die Rinder durch die Straßen treiben und Kokablätter kauende Frauen in weiten Röcken. Auch mit zwielichtigen Gestalten rechnete ich, die mit der Zigarette im Mundwinkel in dunklen Gassen lauern, um leichtsinnigen Gringos ein paar Peso abzuknöpfen.
Dann kam ich nach Santiago, Chiles Hauptstadt. Der Flughafen war sauberer und besser organisiert, als ich es aus vielen Orten Europas kenne. Im klimatisierten Bus ging es ins Zentrum. Dort angekommen, traute ich meinen Augen nicht. Statt Cowboys zogen Businessleute im Anzug durch die Straßen. Nicht Panflöten oder Gitarren, sondern Handy-Klingeltöne drangen an mein Ohr und keine 100 Meter entfernt leuchtete das Symbol der Westlichen Welt schlechthin – die goldenen Bögen von McDonalds. Da zog vor mir eine Gruppe Jugendlicher vorbei. Während die Jungen in ihrem Aussehen den Idolen aus MTV nacheiferten – das heißt: möglichst aussehen, als wäre man aus dem Gefängnis ausgebrochen – schienen die Mädchen einen Wettbewerb auszutragen, wer den kürzesten Rock und das meiste Make-Up trägt. Kurzum, es war wie Zuhause.
Seitdem bin ich zwei Monate durch den Kontinent gereist und war oft überrascht, wie modern, kommerziell und westlich viele Orte in Chile und Argentinien sind. Doch ich habe auch das andere Südamerika erlebt, etwa im bolivianischen Uyuni. Dort liefern sich Kinder keine Modewettbewerbe, sondern betteln in Unterhemd und Sandalen. Horden von abgemagerten Hunden liegen in den von Müll gesäumten Straßen und mein Hotel hätte nicht einmal die Hygienestandards einer deutschen Bahnhofstoilette erfüllt. Statt bei McDonalds aß ich an einem Marktstand undefinierbare Speisen. Am Tag danach las ich im Reiseführer: An eben jenem Markt herrscht akute Cholera-Gefahr. Sie merken: Dieses Südamerika hatte mit Europa in etwa so viel gemein, wie Ottfried Fischer und Magersucht – doch gerade das machte es interessant. So habe ich mittlerweile ein anderes Bild von Südamerika und heute, zwei Tage vor meiner Abreise, steht fest: Der Kontinent hat meine Erwartungen übertroffen.

In: Münchner Merkur 2./3. Juni 2007

Die zwei Gesichter Südamerikas: Eine Einkaufsmeile in Buenos Aires (Foto 1) sowie die Hauptstraße im bolivianischen Uyuni (Foto 2)
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Hier findet Ihr Fotos aus dem wunderbaren, aber eisig kalten Buenos Aires (2-5 Grad Tagestemperatur. ZWEI! Grad) zusammen mit einigen kurzen Kommentaren. Zu einem vollständigen Bericht hat es nicht gereicht, schließlich ist mein ganzes Kreativitätspotenzial derzeit mit der Aufgabe beschäftigt, eine gelungene Antwort auf die nach meiner Rückkehr wohl unvermeidliche Frage zu finden: "Und, wie wars?"

26 Mai 2007

Gedankensprünge in Argentinien

Nun ist es also soweit: Meine letzte Urlaubswoche hat begonnen und ich mache mich auf nach Buenos Aires. Doch der drohende Rückflug kann mich nicht irritieren, denn ich habe einen weisen Rat von Zuhause befolgt: Gar nicht über das Ende der Reise oder gar das Danach grübeln, sondern besser die verbleibenden Tage in der Ferne in vollen Zügen genießen. Das habe ich gemacht: In der schmucken Weinhauptstadt Mendoza - auch wenn ich mich im Hinblick auf meinen Magen nach der Whisky-Eskapade in Valparaiso (siehe letzter Eintrag) in Sachen Wein zurückgehalten habe - im beschaulichen San Juan und im Studentenmekka Cordoba, wo ich von Magda aus Österreich eine interessante Einführung in das legendäre Nachtleben der Stadt erhalten habe. Doch so schön all das auch war, von diesen Erlebnissen will ich hier nicht berichten. Vielmehr werde ich auf zwei Gedanken eingehen, die eigentlich in keinerlei Zusammenhang stehen, außer dass ich sie beide schon vor längerer Zeit in meinem kleinen, schwarzem Büchlein notiert habe.

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Ein Albino-Frosch: Im bizarren Aquarium von Mendoza

Erstere beginne ich am besten mit zwei Witzen aus meinem Reiseführer. "Frage: Wie begeht ein Argentinier Selbstmord? Antwort: Er stürzt sich von seinem Ego." Der Andere: "Frage: Wie erkennt man einen argentinischen Spion? Antwort: An dem Schild auf seinem Rücken 'Ich bin der beste Spion der Welt'." Ihr merkt schon, Argentinien ist nicht unbedingt das beliebteste Land in Südamerika, vor allem weil den Einwohnern eine grenzenlose Arroganz nachgesagt wird. Jene stört das jedoch herzlich wenig. In ihren Augen ist ein gewisses Überlegenheitsgefühl berechtigt, schließlich verfügen sie doch über das beste Essen (Steak), den aufregendsten Tanz (Tango), das leckerste Getränk (Mate) und natürlich die hübschesten Frauen der Welt. Mich erinnert das ganze ein wenig an Bayern - okay, abgesehen von der Sache mit dem Tanz - und vielleicht ist das einer der Gründe, warum ich mich hier so wohl fühle. Denn zumindest alle Argentinier, mit denen ich gesprochen habe, waren nicht arrogant, sondern liebenswürdig und gastfreundlich. Die Steaks sind tatsächlich derart lecker, dass man selbst das letzte Stück des fußballgroßen Fleischlappens noch gierig verschlingt. Und zu den Frauen sage ich nur: Neben "Mein Spanisch ist sehr schlecht" kann ich mittlerweile einen weiteren spanischen Satz perfekt und ohne nachzudenken. Er lautet: "Entschuldigung, du kennst mich nicht, aber willst du mich vielleicht heiraten?" Dabei habe ich die Hauptstadt Buenos Aires, das Epizentrum der Steaks, der schönen Frauen und angeblich auch der Arroganz, noch nicht einmal besucht.

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Don Quichotte - als Mosaik am Plaza España in Mendoza

Was mich zu meiner anderen Geschichte bringt, oder eigentlich nicht, denn selbst nach 53 Blog-Einträgen will es mir nicht gelingen, eine Überleitung zwischen den beiden Anekdoten zu finden. Der einzige Zusammenhang: Auch Notiz Nummer zwei spielt in Argentinien, genauer gesagt in Ushuaia. Zusammen mit meiner amerikanischen Freundin Alexis hatte ich dort eine Bootstour auf dem Beagle Channel unternommen - einem von drei Verbindungskanälen zwischen Atlantik und Pazifik. Wir saßen gerade in der Kabine und wärmten uns bei einer Tasse Kaffee, als Alexis mit einem älteren Ehepaar ins Gespräch kam, ebenfalls aus den Staaten. Ich hörte nur mit einem Ohr zu, denn zum einen ist Small Talk zwischen Amerikanern in etwa so aufregend wie Interviews mit Ronald Pofalla und zum anderen hatte der Kapitän gerade einen riesigen Teller mit diversen Keksen vor mir auf den Tisch gestellt, der verständlicherweise weit mehr Aufmerksamkeit verdiente. Trotzdem vernahm ich, wie die Dame zu Alexis sagte: "Du bist aber eine tapfere junge Frau" und das ließ mich aufhorchen. Schließlich ist Alexis aus Boston, einer amerikanischen Stadt, die zwar wie jede andere ihre Problemviertel hat, im Großen und Ganzen jedoch vergleichsweise sicher und zudem wunderschön ist. "Was sagt die Frau erst, wenn sie hört, dass ich in Detroit gelebt habe?" dachte ich mir. Schließlich hat das einstige Motown in den USA nicht umsonst den Spitznamen "Murder-Town". Ich wollte also gerade anfangen von Maschinengewehrsalven bei Nacht und Gang-Graffitis an den Häuserruinen der Innenstadt zu erzählen, da hörte ich, wie die Frau hinzufügte: "Schließlich reist du ganz alleine durch Südamerika."
Was folgte, war ein Hustenanfall meinerseits, da ich vor Lachen einen halben Keks verschluckt hatte. Da unterhielten sich doch tatsächlich drei Menschen aus dem Mutterland der Waffennarren und Schul-Blutbäder über die Sicherheit in Südamerika? Das ist in etwa so, wie wenn der kolumbianische Präsident seinem schweizer Kollegen Vorwürfe ob des dortigen Drogenkonsums machen würde. Naja, zumindest beinahe. Ich will betonen: Meine Aussagen beziehen sich auf die hauptsächlich von mir (und von Alexis und von dem Ehepaar) bereisten Länder Argentinien und Chile, und fraglos gibt es auch hier Kriminalität. Doch obwohl ich die Statistiken nicht kenne, würde ich die Erfahrungen meiner sieben Reisemonate verwetten, dass die dortigen Kriminalitätsraten selbst zusammen genommen nicht mit der in den USA mithalten können. Ich persönlich kann sagen: In bisher allen von mir besuchten Orten habe ich mich sicherer gefühlt, als in so mancher deutschen Stadt - ganz zu Schweigen von jeder Amerikanischen. Aber vielleicht sollte ich mit solchen Aussagen noch eine Woche warten, denn schließlich habe ich mit Buenos Aires den angeblich gefährlichsten Ort der Region noch nicht besucht. Ach verdammt! "Noch nicht in Buenos Aires" - das wäre mein Übergang zwischen den Geschichten gewesen...